Eine Medikamentenabhängigkeit bezeichnet ein nicht mehr beherrschbares Verlangen nach einem bestimmten Medikament. Anders als bei einer Drogen- oder Alkoholabhängigkeit wurde das Medikament in den meisten Fällen ursprünglich nicht eingenommen, um einen rauschähnlichen Zustand herzustellen, sondern um ein seelisches oder körperliches Leiden zu lindern. Die Abhängigkeit entwickelt sich in der Regel aus einem andauernden Gebrauch oder einer zu hohen Dosierung eines Medikaments. Das Absetzen führt zu körperlichen und/oder psychischen Entzugserscheinungen.
Körperliche Symptome
Psychische Symptome
Opioidhaltige Schmerzmittel und Benzodiazepine verändern bei regelmäßiger Einnahme Stoffwechselprozesse im Gehirn und haben damit erheblichen Einfluss auf die Psyche. Mögliche Symptome unterscheiden sich je nach Medikament, Dauer und Dosierung der Einnahme.
In der Regel werden Medikamente eingenommen, um Schmerzen zu lindern, Schlaf zu finden und starken Spannungszuständen entgegenzuwirken. So dient die Einnahme in den allermeisten Fällen medizinischen Zwecken du wird ärztlich verordnet.
Besonders gefährdet sind Frauen. Da sie häufiger zum Arzt gehen, bekommen sie auch häufiger Medikamente verschrieben. Zudem leiden sie häufiger als Männer an chronischen Schmerzen, Angststörungen und Depressionen. Oftmals sind Schicksalsschläge der Grund für die Einnahme von Beruhigungs- und Schlafmitteln. Auch ältere Menschen sind besonders gefährdet, abhängig von Medikamenten zu werden.
In den meisten Fällen wird eine Abhängigkeitsdiagnose von aufmerksamen Häusärztinnen und Hausärzten gestellt. Das sich Betroffen ihrer Abhängigkeit oftmals selbst nicht bewusst sind, bedarf es viel Fingerspitzengefühl, Ihnen die nötige Hilfe anzubieten. Um weitere psychische Folgeerkrankungen festzustellen, werden Betroffene in der Regel an psychologische Fachstellen überwiesen.
Eine Abhängigkeit wird gemäß ICD-10 durch sechs Kriterien bestimmt. Mindestens drei davon müssen innerhalb der letzten 12 Monate aufgetreten sein.
Die Einnahme von entsprechenden Medikamenten beginnt in den allermeisten Fällen auf Rezept. Deswegen ist es wichtig, das Patientinnen und Patienten gut über das Suchtpotential ihres Medikaments aufgeklärt werden, damit sie entsprechend vorsichtig bei der Einnahme sind und sich engmaschig überwachen lassen.
Patientinnen und Patienten, die bereits Probleme mit suchterzeugenden Stoffen hatten oder haben, sollten grundsätzlich keine Medikamente einnehmen, die suchterzeugende Stoffe enthalten.
Große Verantwortung tragen hier vor allen Hausärztinnen und Hausärzte. Medikamente mit suchterzeugenden Stoffen sollten nur bei bestätigter Diagnose und in sehr geringen Dosen verschrieben werden.
Eine Medikamentenabhängigkeit bleibt in der Regel lange unbemerkt. Hausärztinnen und Hausärzte leiten oft die ersten Schritte Richtung Therapie ein, indem Sie die Medikamenteneinnahme hinterfragen und Betroffene aufklären und zu weiteren Schritten beraten.
Die Therapie erfolgt meist in zwei Schritten: dem Entzug der Substanz und einer anschließenden Therapie, die sich aus Psychotherapie und je nach gewählter Therapieform aus weiteren Maßnahmen zusammensetzt.
Manchmal reicht schon das Bewusstsein über die Abhängigkeit und eine gezielte Suchtberatung aus, damit Betroffene ihren missbräuchlichen Konsum beenden. Ist die Abhängigkeit stärker ausgeprägt und liegen weitere psychische Erkrankungen vor, sollten sich Betroffene dringend in psychotherapeutische Behandlung begeben. Für Betroffene mit chronischen Schmerzen bieten sich zudem multimodale Schmerztherapien an, die auf beide Erkrankungen abzielen.
Eine stationäre Entwöhnungsbehandlung in einer Fachklinik ist für Menschen geeignet, die stark abhängig sind und hohe Dosen einnehmen und/oder die von mehreren Substanzen abhängig sind, d.h. zusätzlich z.B. abhängig von Alkohol sind.
Ein Entzug sollte nicht abrupt und ohne ärztliche Überwachung passieren. Hier bedarf es dringend medizinischer Beratung, damit je nach Einzelfall, Medikamente ersetzt, schrittweise reduziert und Entzugserscheinungen entsprechend behandelt werden können.
Entwöhnungsbehandlung
Nach vielen Jahren der Abhängigkeit lernen Betroffene während einer Entwöhnungsbehandlung neue Verhaltensmuster, d.h. ein „Dafür“ für das Suchtmittel zu erarbeiten und zu üben. Ziel der Entwöhnungsbehandlung ist die dauerhafte Abstinenz.
Für die Wahl der richtigen Behandlung sind die persönliche Motivation zur Veränderung, das soziale Umfeld, eine mögliche Unterstützung durch die Familie und die bestehenden Neben- und Folgeerkrankungen ausschlaggebend für die Therapie.
Eine Entwöhnungsbehandlung kann stationär in einer Fachklinik, ganztägig ambulant in einer Tagesklinik oder ambulant durch eine Suchtberatungsstelle durchgeführt werden.
Ambulante Entwöhnung in einer Suchtberatungsstelle
Suchtberatungsstellen bieten je nach Konzept Entwöhnungsbehandlungen an, die aus regelmäßig stattfindenden Therapiesitzungen (Einzel- und/oder Gruppentherapie), meist einmal pro Woche, bestehen. Die Dauer richtet sich in der Regel nach den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen.
Ganztägig ambulante Therapie in einer Tagesklinik
Eine ganztägig ambulante Therapie findet in der Regel von Montag bis Samstagmittag täglich ganztags statt. Die Abende und das Wochenende werden zuhause verbracht, d.h. die Tagesklinik muss in Wohnortnähe sein. Neben Einzel- und Gruppentherapie finden hier u.a. auch Therapiemaßnahmen wie Ergo- und Arbeitstherapie, Sport- und Bewegungstherapie sowie das Erlernen von Entspannungsverfahren statt. Als Rehabilitationsmaßnahme wird die Therapie unter ärztlicher Begleitung durchgeführt. Durchschnittlich dauert eine ganztägig ambulante Rehabilitation rund 12 Wochen.
Ambulante Entwöhnungsbehandlungen bieten sich für Betroffene an, die über eine gewisse Grundabstinenz verfügen, sprich auch zwischen den Terminen oder abends und an den Wochenenden abstinent bleiben und auf ein unterstützendes soziales Umfeld bauen können.
Stationäre Entwöhnungsbehandlung
Eine stationäre Behandlung gibt den Betroffenen die Möglichkeit, in geschützter Atmosphäre Probleme aufzuarbeiten und neues Verhalten zu erlernen. Körperliche und seelische Folge- und Begleiterkrankungen werden umfassend mitbehandelt. Der Aufenthalt in einer Fachklinik dauert in der Regel 3-5 Monate.
Das Therapieprogramm setzt sich aus medizinischen Maßnahmen, bei Bedarf Physiotherapie, Einzel- und Gruppentherapie, Sport- und Bewegungstherapie, Ergo- und Arbeitstherapie, sowie Entspannungsverfahren und weiterführenden Gruppenangeboten zusammen.
Die meisten Fachkliniken bieten auch Auffang- und Rückfallbehandlungen an (in der Regel 8 Wochen), ebenso eine sog. Kombitherapie, bei der Betroffenen in dafür zugelassenen Suchtberatungsstellen vorher und im Anschluss therapeutisch betreut werden. Der stationäre Aufenthalt wird auf 8 Wochen verkürzt.
Erste Hilfe finden Betroffene in den Suchtberatungsstellen, die je nach Einzelfall über passende Angebote beraten und zusammen mit den Betroffenen die richtige Therapie, in der Regel beim Rentenversicherungsträger, beantragen.
Medikamentenabhängigkeit entsteht langsam und oft unbewusst. Gerade bei Menschen, die mit niedrigen Dosen auskommen, bleibt die Erkrankung oft über Jahre unbemerkt. Sie kann schwere psychische, körperliche und soziale Folgeschäden nach sich ziehen.
Je früher eine Anhängigkeit von Medikamenten erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Chancen, dass Betroffene dauerhaft und zufrieden ohne das Suchtmittel leben können.