Alter Freund
von Simon Graw
Mein schlimmster Feind, mein alter Freund,
warum musstest du jetzt kommen.
Ich erinnere mich kaum, vergaß dich fast,
hab dich geglaubt nicht mehr zu kennen.
Nun klopfst du an, willst in mein Haus
und über altes reden.
Ich lass dich rein, weiß nicht warum,
kann mich vor Anspannung nicht regen.
„Bleib ganz ruhig“ sagst du zu mir.
„Lass uns erstmal einen heben“.
Das Elixier; sagt er zu mir, aus Hopfen, Korn und Reben.
Mein bester Feind, du alter Freund,
was willst du mit mir machen.
„Ich sag es Dir mein guter Freund,
wir werden feiern, tanzen, lachen“.
Was soll das denn, lass mich in ruh
Und sag was du zu sagen hast.
„Das werd ich ja, hab keine Angst,
ich merk die Ungeduld ist Deine Last“.
„Oh, schau mal an mein guter Freund,
Dein Glas ist ja schon wieder leer.“
„Ich schenk Dir nach, was kümmerts denn,
unsere Zeit, das wissen wir, ist eh schon viel zu lange her“.
Du bist mein Feind und auch mein Freund
Wir hatten Spaß an vielen Tagen.
Die Nächte lang, die Tage kurz
und in der früh das große Klagen.
Drum bitt ich dich, auch wenn' s mir schmerzt
verlasse sofort dieses Haus.
„Was soll das denn, mein guter Freund,
komm trink mal ganz schnell aus“
„Verlassen wird ich Dich heut nicht,
ich weiß, ich würd Dir fehlen“.
„Und Du weißt auch, ich halt zu Dir,
mit mir kannst Du ja Pferde stehlen.
Oh Feind, mein guter Freund,
was verlangst Du nur von mir.
Natürlich will ich, dass du bleibst,
du kennst mich ja und meine Gier.
Wie waren sie schön, die alten Tage.
Die Erinnerung an sie ist wieder stark.
Darum verzeihe mir und fülle mein Glas
Und trinken auf den schönen Tag.
„Mein guter Freund, das Lob ich mir,
so kenn ich Dich von früher“.
„Einen Moment lang hat ich schon Angst
und wärst neben älter, jetzt auch klüger“.
Mein Freund, du alter Feind,
wo käm ich hin, wenn das so wär.
Älter werden ist zu leicht,
klüger werden, dafür schwer.
Ich bin so froh, dass Du heut kamst,
um mich an altes zu erinnern.
Drum trink mit mir und gib mir Kraft,
um meine Sorgen abzulindern.
Heut zeigen wir's, wie's wirklich läuft
Und lassen die Erde beben.
Wir schenken ein, wir schenken nach
Und heben, heben, heben.
Mein bester Freund, wer ist der Feind
Ich kann es dir schon sagen.
Familie, Freunde, Chef und Ärzte,
wollen über unsere Freundschaft klagen.
Sie hassen dich und mein Verlangen,
wollen uns einfach so mal trennen.
Verstehen unsere Bindung nicht,
weil sie Sehnsucht so nicht kennen.
Verachtung schenk ich ihnen nur,
so wie's sie' bei dir gern machen.
Ich heb mein Glas und trink auf dich,
und kann über sie nur lachen.
Mein Freund, mein Freund, mein Freund.
Was machen wir jetzt hier.
Du sprichst mich an, ich hör dich nicht
und trotzdem folge ich jetzt dir.
Mein Blick verzerrt, der Ton ist dumpf,
die Welt spielt Karussell mit mir.
Sätze kann ich nicht mehr sprechen,
nur vereinzelt ein paar Brocken.
Meine Augen drehen sich zu Dir hin,
seh dich mit dem Glas herlocken.
Ein kleiner Schluck noch, mein bester Freund,
dann musst Du mich verlassen.
Und morgen früh, dass wissen wir,
werd ich dich wieder hassen.