Essstörungen sind als ernsthafte Erkrankungen zu betrachten, die nicht unbehandelt bleiben sollten. Bei dieser Erkrankung drehen sich sowohl das Handeln als auch die Gedanken hauptsächlich um das Thema Essen und gehen oft mit einem gestörten Verhältnis zum eigenen Körper einher.
Unterschieden wird zwischen drei Hauptstörungen:
Hinzu kommen weitere weniger verbreitete und bekannte Arten von Essstörungen, wie zum Beispiel die sogenannte Orthorexie. Hierbei verzehren die Betroffenen ausschließlich Nahrungsmittel, die sie für gesund halten. Dies wiederum schränkt die Auswahl stark ein und es droht eine Mangelernährung.
Auch die Vermeidend-restriktive Nahrungsaufnahmestörung kann sich ähnlich verheerend auswirken. Diese Störung setzt meistens im Kindesalter ein und führt dazu, dass Betroffene bestimmte Nahrungsmittel aufgrund ihrer Farbe, Konsistenz oder ihres Geruches ablehnen. Bis zu einem bestimmten Grad ist das normales Kindesverhalten, aber in schweren Fällen kann es auch hierbei zu einer schweren Mangelernährung kommen, die Untergewicht nach sich zieht und dadurch das Kind in seiner Entwicklung hemmt.
In vielen Fällen tritt eine Essstörung nicht in ihrer Reinform auf, sondern besteht aus einer Mischung aus zwei der Hauptstörungen. Man spricht in diesen Fällen von einer Mischform. Gemeinsam haben sie, dass sie mit seelischen Problemen und einem niedrigen Selbstwertgefühl einhergehen. Es wird versucht unbewusst innere Konflikte über das eigene Essverhalten zu lösen. Es handelt sich also seltener um ein Ernährungsproblem, sondern vielmehr um eine Fehlwahrnehmung oder ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper.
Eine Essstörung kann grundsätzlich Menschen jeden Geschlechts und Alters treffen. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungs und lebensjüngere Personen häufiger als Erwachsene.
Essstörungen entstehen nie aufgrund einer einzelnen Ursache. Das Zusammenspiel verschiedener individueller, biologischer, familiärer und/oder soziokultureller Faktoren können die Entstehung einer Essstörung begünstigen.
Wenn sich bei einer Person eine Essstörung gebildet hat, sollten weder die betroffene Person selbst noch deren Angehörige oder Partner*in die Schuld dafür bei sich selbst suchen. Manche Faktoren können nicht beeinflusst werden und die Beschäftigung mit der Schuldfrage steht dem Heilungsprozess eher entgegen, als dass sie diesen unterstützt.
Dennoch ist die Ursachenforschung wichtig, um die Entstehung der Störung nachzuvollziehen und beeinflussbare Faktoren positiv zu verändern.
Mögliche Ursachen sind:
Biologische Ursachen
Individuelle Ursachen
Familiäre Ursachen
Soziokulturelle Ursachen
In vielen Fällen geht einer Essstörung eine Diät voraus. Der Prozess von einer normalen und harmlosen Diät zu einer Essstörung ist meist schleichend und es ist schwer abzugrenzen, ab wann das auffällige Essverhalten bereits krankhafte Züge angenommen hat.
Wenn der Verdacht besteht, dass eine Essstörung entstanden sein könnte, ist ein ausführliches Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt dringend notwendig. Darauf folgt eine sorgfältige körperliche Untersuchung bei der unter anderem das Körpergewicht in Relation zur Körpergröße ermittelt und analysiert wird. Durch die ausführliche Anamnese entsteht ein Bild vom Essverhalten, dem sozialen Umfeld und der psychischen Verfassung der/s Betroffenen. Sie enthält Fragen zu den Essgewohnheiten, Erbrechen, Verstopfung, Zyklusauffälligkeiten, Bewegungsverhalten, Medikamenteneinnahme, Alkohol- und Drogenkonsum. Auch Fragen zu selbstverletzendem Verhalten und Suizidgedanken oder -versuchen können abgefragt werden.
Auch wird die Krankengeschichte der Patientin oder des Patienten erörtert und durch weitere körperliche Untersuchungen wird auf Hinweise nach Erkrankungen wie etwa einer Entzündung der Schleimhäute in der Speiseröhre oder Morbus Crohn geschaut. Auch hormonelle und psychiatrische Erkrankungen können hierbei in Betracht gezogen werden. Mittels Laboruntersuchungen werden verschiedene Werte für die Diagnose bestimmt. So können etwa das Blutbild, Nierenwerte, Lipidstoffwechsel, Leberwerte u.v.m. ermittelt werden.
Eine Essstörung zu überwinden ist schwer. Deswegen lohnt sich die Präventionsarbeit. Hierbei wird zwischen drei Präventionsformen unterschieden
Primärprävention
Die Primärprävention richtet sich an Menschen, deren Essverhalten gesund und unbedenklich ist. Sie hat zum Ziel, dass dies auch so bleibt und insgesamt in der Bevölkerung die Erkrankungshäufigkeit sinkt. Hierbei wird weniger auf das Thema Essstörung an sich eingegangen, sondern setzt bei den Hintergründen an und nimmt beispielsweise von den Medien propagierte Schönheitsideale kritisch in den Blick und stärken die körperliche und seelische Gesundheit. Kernthemen, die behandelt werden, sind u.a. gesundes Essverhalten, Genussfähigkeit, Wahrnehmung des Körpers und eigener Bedürfnisse, Selbstvertrauen, Einstellung zur Figur und Gewicht, Konflikte lösen, mit seinen Gefühlen und Stress umgehen können. Damit wird nicht nur Essstörungen vorgebeugt, sondern auch Lebenskompetenzen vermittelt, die einen positiven Einfluss auf die Gesamtgesundheit haben.
Sekundärprävention
Liegen bereits erste Symptome vor und soll die Entwicklung einer Essstörung aufgehalten werden, wird von einer Sekundärprävention gesprochen. Maßnahmen dieser Präventionsform enthalten neben Übungen und Modulen auch Elemente, die die Ursachen für die mögliche Entstehung einer Essstörung aufgreifen und gezielt die körperliche, seelische und soziale Gesundheit fördern.
Tertiärprävention
Die Tertiärprävention kommt zum Einsatz, wenn die Essstörung schon vorhanden ist. Es werden therapeutische Maßnahmen gebraucht, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen und Rückfälle zu verhindern.
In der Praxis überschneiden sich viele Elemente der drei Präventionsformen.
Anorektiker*innen und Bulimiker*innen leiden unter einer tief verwurzelten Angst bei normalem Essverhalten zuzunehmen. Dieses massive Hindernis für ein gesundes Leben stellt zugleich für die Betroffenen einen Anker dar, der ihrem Leben Halt gibt. Leider auf eine extrem gesundheitsgefährdende Weise. Diesen Anker loszulassen, erfordert sowohl großen Mut als auch Geduld.
Während einer psychotherapeutischen Behandlung werden durch viele Einzelgespräche die Ursachen aufgedeckt und in Übungen alternative Stabilisierungsstrategien aufgebaut. Außerdem wird die Entwicklung eines positiven Weltbildes und das Vertrauen in die eigene Kraft gefördert. Neben der Etablierung eines dauerhaften gesunden Essverhaltens wird insbesondere auch die Selbstakzeptanz gestärkt und krankmachende Überzeugungen aufgelöst.
In einer Gruppentherapie haben Betroffene die Möglichkeit Menschen mit einem ähnlichen Leidensweg zu begegnen und sich zu ihren Erlebnissen auszutauschen. Im Austausch profitiert man von erfolgreichen Lösungsstrategien oder erlebt ermutigende Berichte von Betroffenen, die in der Bewältigung der Essstörung weiter sind als man selbst. Aber auch wenn man selbst diejenige Person ist, die anderen mit den eigenen Lösungsstrategien neue Möglichkeiten aus der Essstörung auszubrechen aufzeigt, kann das sehr positive Effekte auf einen selbst haben.
Eine Essstörung verläuft üblicherweise über mehrere Jahre und ihre Entstehung ist meist schleichend. Essstörungen sind aber prinzipiell gut behandel- und heilbar. Die Behandlung kann aber sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und erfordert ein hohes Maß an Motivation von Betroffenen. Manchmal dauert die Behandlung Monate oder sogar Jahre.
In rund 50% aller Fälle werden Patient*innen nach einer entsprechenden Therapie wieder vollständig gesund. Bei 30% bleibt zwar ein Teil der Beschwerden erhalten, aber der Gesamtzustand verbessert sich signifikant. 20% können einen chronischen Verlauf entwickeln und unter dauerhaftem Untergewicht leiden. Auch wenn es für Betroffene äußerst frustrierend sein dürfte, wenn sich auch nach mehreren Monaten keine merkbare Verbesserung einstellt, lohnt es sich die Behandlung fortzusetzen. Studien haben gezeigt, dass die Erfolgsquote mit den Behandlungsjahren steigt und auch scheinbar chronische Verläufe geheilt werden können.
Faktoren, die eine Verlaufsprognose positiv beeinflussen sind:
Bei einer massiven Essstörung handelt es sich um eine potenziell tödliche Krankheit. Deswegen ist eine therapeutische Behandlung in stationärer und ambulanter Form dringend zu empfehlen. Auch eine langfristige Nachsorge sollte angestrebt werden.